15 Jahre Ihriss

In diesem Jahr feiert die Beratungsstelle IHRISS ihr fünfzehnjähriges Bestehen. Zu diesem Anlass haben wir in ehrenamtlichem Engagement eine Ausstellung von Kunstwerken von IHRISS-Nutzerinnen im Waldhaus organisiert sowie eine große Feier im Kulturforum der Stadt Kiel, bei der wir diese Selbstdarstellung in der Fassung von 2007 vorlegen.

Bei der Darstellung der gegenwärtigen Angebote und Rahmenbedingungen von IHRISS erfolgte zwangsläufig auch ein Rückblick auf die vergangenen 15 Jahre. Es zeigte sich für uns, dass die Gründe zur Entstehung von IHRISS nach wie vor Gültigkeit haben, bzw. sogar noch verstärkt sind, wie es z.B. die angewachsene Gesamtzahl von Frauen mit psychischen Erkrankungen zeigt, die unsere Gruppen und Beratungen in Anspruch nehmen. Es ist für betroffene Frauen notwendig, einen spezifischen frauengerechten Schutzraum zu haben, der die Möglichkeit für soziale Kontakte und Stärkung der eigenen Ressourcen bietet. Ein Rückblick auf 15 Jahre machte deutlich, wie erfolgreich unsere Nutzerinnen dem frauengerechten Ansatz entsprechend dabei begleitet werden konnten, ihre Selbsthilfepotentiale zu stärken und ihre sozialen Bezüge zu erweitern. Allerdings ist eine Rückschau auch verbunden mit dem Blick auf viele Kämpfe ums Geld. Leider stehen uns heute nur noch eineinhalb feste Personalstellen für die Treff- und Beratungsstellenarbeit zur Verfügung. Dies ist ein absolutes Minimum, das hohen persönlichen und auch ehrenamtlichen Einsatz aller Mitarbeiterinnen erfordert. Nichtsdestotrotz möchten wir uns bei Stadt und Land bedanken für diese Finanzierung, die es ermöglicht, betroffenen Frauen auch weiterhin die notwendige Unterstützung zur Prävention und Stabilisierung geben zu können.

Seit 2004 Können wir zusätzlich zu der pauschal finanzierten Beratungsstellenarbeit das Angebot des Ambulant betreuten Einzelwohnens anbieten. Dieses höherschwellige Angebot der Einzelfallhilfe ermöglicht es uns, einigen Frauen ein intensiveres Unterstützungsangebot zukommen zu lassen. Dies setzt voraus, dass die betroffene Frau einen kontinuierlich höheren Bedarf hat und es ihr möglich ist, den Weg der Antragstellung zu gehen und diese verbindliche Hilfe dann auch kontinuierlich anzunehmen. Für die Frauen, auf die einzelne oder alle Voraussetzungen nicht zutreffen, wünschen wir uns für die Zukunft die Möglichkeit der pauschal finanzierten intensiven Begleitung, die uns zurzeit nur in absoluten Einzelfällen möglich ist.

2004 haben wir unseren Förderverein IHRISS gegründet. Langfristiges Ziel dieses Vereins ist es, die finanzielle Lage der Beratungsstelle zu verbessern, um notwendige Angebote für Nutzerinnen erhalten zu können bzw. weitere bedarfsgerecht entwickeln zu können. Zurzeit hat der Förderverein 46, welchen wir an dieser Stelle herzlich danken möchten. Einige Mitglieder davon engagieren sich sehr umfangreich. An dieser Stelle möchten wir insbesondere die Unterstützerinnen der Bastelgruppe „die Schöpferinnen“ erwähnen, die selbst hergestellte Erzeugnisse für den Förderverein auf verschieden Basaren anbietet.

Im Anhang haben wir unser aktuelles Programm, die Einladung zum 15-jährigen Jubiläum sowie einen Antrag auf Mitgliedschaft im Förderverein IHRISS.

Die Studie von Christa Oppenheimer „Vom mainstream zur feministischen Arbeit – die Ergebnisse einer qualitativen Befragung der Nutzerinnen bei IHRISS“ aus dem Jahr 2002 haben wir ebenfalls unserer Selbstdarstellung angefügt.

Wir danken für Ihr Interesse und bedanken uns bei allen, die uns in den vergangenen 15 Jahren unterstützt haben.

Entstehungsgeschichte

IHRISS e.V. bietet seit dem 01.01.1992 als erste und leider bisher einzige Einrichtung in Schleswig-Holstein ein Treffpunkt- und Beratungsangebot speziell für Frauen an, die von psychischer Krankheit bedroht oder betroffen sind. Die Entstehung unserer Institution steht im Zusammenhang mit der Ende der 80er Jahre aufgekommenen öffentlichen Diskussion zur Situation von Frauen in der Psychiatrie. Entsprechend stellte die Landesregierung in ihrem Psychiatrieplan 1990 einen Bedarf an frauengerechten Angeboten fest und erklärte ihren Willen zur Unterstützung entsprechender Konzeptionen. In dieser Zeit begann auf Initiative des Trägervereins donna klara e.V. zunächst in dessen Räumen die Arbeit des Projektes IHRISS mit der spezifischen Zielgruppe psychiatrieerfahrene Frauen. Die Motive für die Initiierung dieses Projektes lagen in der Unvereinbarkeit der Arbeit mit Frauen mit psychiatrischen Erkrankungen und den konzeptionellen Rahmenbedingungen der Beratungsstelle donna klara. Diese Frauen “sprengten den Rahmen”, sie konnten nicht in angemessener Weise gefördert und unterstützt werden. Aufgrund der großen Nachfrage wurde bereits nach wenigen Monaten ein Umzug in die heute noch existierenden Räume in der Jeßstraße 3 in Kiel erforderlich. Am 01.01.1994 übergab der Verein donna klara e.V. die Geschäfte des Projektes IHRISS vollständig dem Verein IHRISS e.V., der aus einem Förderkreis interessierter Frauen hervorging. Inzwischen ist unser gemeindepsychiatrisches, geschlechtsspezifisches Angebot ein wichtiger Baustein im Rahmen einer Gesamtentwicklung der psychiatrischen Versorgung weg von den großen Kliniken und Institutionen hin zu alltags- und wohnumgebungsnäheren Einrichtungen und hat sich in der Psychiatrielandschaft Schleswig-Holsteins etabliert und vernetzt. In dem im Jahr 1995 erschienenen “Bericht zur Umsetzung des Psychiatrieplanes 1990” bezeichnete die Landesregierung IHRISS e.V. ausdrücklich als notwendiges und beispielhaftes sozialtherapeutisches Angebot für Frauen. Auch im Psychiatrieplan 2000 des Landes wird IHRISS als zu fördernde Einrichtung mit Kontaktstellenfunktion explizit genannt. Ebenso namentliche Erwähnung findet unsere Einrichtung im Gutachten zur Psychiatrieplanung für die Landeshauptstadt Kiel (2004). Die Beratungsstelle IHRISS wird hier als wichtige Anlaufstelle bezeichnet, die unbedingt erhalten werden solle und deren unsichere Finanzierung ihrer großen Bedeutung nicht entspräche.

Einführung

Geschlechtsspezifische Arbeit mit psychiatrieerfahrenen Frauen bedeutet immer auch Arbeit mit Frauen, die in ihrer Kindheit sexualisierte, physische und/oder psychische Gewalt erfahren haben. Dieser Umstand entspricht sowohl den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien als auch unserer Berufserfahrung. In unserer Einrichtung berichten ca. 80% der Nutzerinnen von sich aus über sexualisierte Gewalterfahrungen. Davon ausgehend, dass einige Frauen ihre Gewalterfahrungen aufgrund von Verdrängungsmechanismen nicht erinnern und andere von diesen Erfahrungen noch nicht erzählen mögen, kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Zahl noch darüber liegt. Dieser hohe Anteil Gewaltüberlebender unter unseren Nutzerinnen kann als ein Beleg für die Richtigkeit jener wissenschaftlichen Untersuchungen, die ebenfalls einen sehr hohen Anteil Opfer sexualisierter Gewalt unter psychiatrisch Erkrankten fanden, gewertet werden und spiegelt zudem sicherlich auch die Bedürftigkeit dieser Frauen nach speziellen Schutzräumen wieder. Die Tatsache, dass wiederholte sexualisierte, körperliche und seelische Gewalt in der Kindheit “verrückt”, depressiv, phobisch etc. machen kann, ist nicht nur wissenschaftlich, klinisch ableitbar (vgl. z. B.: P. Hilsenbeck, 1998, in “Handwerksbuch Psychiatrie”), sondern wahrscheinlich auch intuitiv verstehbar für jede(n), der oder die sich in die Lage solcher Kinder hineinversetzt.

Psychische Krankheit und Psychiatrieerfahrung bedeutet in unserer Kultur immer noch ein Stigma. Dieser Umstand verstärkt die soziale Isolierung, das negative Selbstbild und die Hilflosigkeitsgefühle dieser Menschen mit psychischer Erkrankung. Dieser Umstand führte zu der bewusst niedrigschwelligen Formulierung “…für Frauen mit und ohne Psychiatrieerfahrung” in unserem Titel um potentiellen Nutzerinnen so den Zugang zu erleichtern. Die Frauen, die wir erreichen, sind unabhängig von dieser Formulierung in der Regel psychiatrieerfahren, viele leiden unter chronifizierten psychiatrischen Erkrankungen, wie Psychosen oder schweren Persönlichkeitsstörungen. Der kleine, überschaubare Rahmen und die Möglichkeit, erstmal unverbindlich “zum Kaffeetrinken” zu kommen, verringern ebenfalls die Zugangsschwelle.

Darüber hinaus bietet unser Konzept psychiatrisch erkrankten Frauen einen Schutzraum, in dem sie auf Fachfrauen treffen, die um die geschlechtsspezifischen Sozialisations- und Lebensbedingungen von Frauen wissen und die Umsetzung der Leitlinien “Hilfen für psychisch kranke und behinderte Frauen” des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales für sinnvoll erachten.

Wie das Robert-Koch-Institut in ihrem Gesundheitsbericht 2006 formulierte spielen Psychische Erkrankungen eine immer größere Rolle. Psychische Erkrankungen sind weit in der Allgemeinbevölkerung, vor allem bei Frauen, verbreitet. Auch der BKK Bundesverband stellte in seinem letzten Gesundheitsbericht fest: Psychische Erkrankungen sind die einzige Krankheitsart, die einen zunehmenden Trend aufweisen. Bei IHRISS bemerken wir diesen Trend an der Nachfrage nach unseren Leistungen und würden uns wünschen, dass unsere finanzielle Ausstattung nicht weiterhin gegenläufig zu diesem Trend ist.

Zielgruppe

Unsere Angebote richten sich an Frauen aus Kiel und ganz Schleswig-Holstein, die an psychiatrischen Störungen, wie Depressionen, Angststörungen, Borderline- und anderen Persönlichkeitsstörungen oder psychotischen Erkrankungen leiden und die ein niedrigschwelliges, frauenspezifisches Angebot benötigen und wünschen. Öffentlich richten wir unser Angebot an “Frauen mit und ohne Psychiatrieerfahrung”. Diese bewusst niedrigschwellige Formulierung verringert bei potentiellen Nutzerinnen die Schwellenangst, da “Psychiatrieerfahrung” und psychische Krankheit immer noch einen gesellschaftlichen Makel beinhalten und tabuisiert sind. Der Besuch unserer Beratungsstelle käme bei einer eindeutigen Formulierung einem “Outing” gleich. Tatsächlich haben etwa 90% einen oder mehrere Klinikaufenthalte hinter sich. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Nutzerinnen im ambulanten oder stationären Rahmen eine bzw. mehrere psychiatrische Diagnosen erhalten.

Zielsetzung

Die Ziele unserer gemeindepsychiatrischen Arbeit liegen in der Verhinderung von Psychiatrieaufenthalten (Erst- und Wiedereinweisungen) sowie in der Verkürzung der notwendigen Dauer von stationären Behandlungen. Positiv formuliert geht es uns um eine Stabilisierung der betroffenen Frauen durch eine möglichst umfassende Stärkung der Selbsthilfekompetenzen sowie um eine Förderung ihrer sozialen Bezüge. Mit IHRISS wurde ein Raum geschaffen, in dem von professioneller Seite auch auf die krankmachenden Lebensbedingungen, die Frauen betreffen, besonders geachtet wird und ausreichend Kenntnisse und Erfahrungen hierzu vorhanden sind. Unser Blick ist ressourcenorientiert, d.h. in erster Linie bewusst machend und wertschätzend auf positive Potentiale gerichtet. Statt auf die durch die Erkrankung entstandenen Defizite zu fokussieren ist es unsere Zielsetzung, vorhandene Stärken deutlich zu machen und deren Umsetzung und weitere Förderung anzuregen. Die verschiedenen Arbeitsbereiche unserer Beratungsstelle sind aufeinander abgestimmte Leistungen, die in ihrer Gesamtheit die Verwirklichung unserer Zielsetzungen gewährleisten sollen. Als Entwicklungsziele, die zur Stärkung der individuellen Nutzerin führen, können folgende Ziele unserer Arbeit formuliert werden:

Psychiatrieerfahrene Frauen sollen entsprechend ihrem eigenen Bedürfnis

  • über verbesserte Selbsthilfefertigkeiten verfügen
  • eine vergrößerte Handlungsautonomie erwerben und neue Handlungsstrategien entwickeln
  • über verbesserte soziale Kompetenzen und verbesserte Kommunikationsfertigkeiten verfügen
  • besser mit Alltagsbelastungen umgehen können
  • durch die Aufnahme und Gestaltung neuer sozialer Beziehungen weniger sozial isoliert sein

“Ich fühle mich einsam und habe niemanden zum Reden. Hier kann ich immer mit jemandem reden und über alles reden.” Nutzerin, 34 Jahre

  • über eine regelmäßigere Tages- und Wochenstruktur verfügen
  • besser über aktuelle Erkenntnisse bezüglich Entstehung Verlauf, Therapie und Selbsthilfemöglichkeiten ihrer jeweiligen psychischen Erkrankung informiert sein
  • mit ihrer psychiatrischen Erkrankung konstruktiver umgehen können
  • besser über das psychosoziale Angebotsspektrum informiert sein
  • eine verbesserte Einbindung in das psychosoziale Versorgungsnetz haben und nicht als sogenannte “Drehtürpatientinnen wiederkehrende, stationäre Versorgung benötigen
  • eine verbesserte Fähigkeit zur Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit haben
  • eine passende Beschäftigunsmöglichkeit finden und umsetzen

Gründe für den Besuch unserer Beratungsstelle

Im Jahr 2006 haben wir 150 verschieden Frauen mit unserem Angebot versorgt sowie zahlreiche weitere mit einmaligen Informationen. Dabei nutzen die verschiedenen Frauen unser Angebot ganz individuell. Unsere typische Nutzerin ist eine Frau mit psychiatrischer Erkrankung, die verschiedene Angebote regelmäßig nutzt, um ihre soziale Isolierung aufzubrechen, sich eine Wochenstruktur zu schaffen ihre soziale Teilhabe zu verbessern und ihre Selbsthilfefertigkeiten auszubauen. Andererseits gibt es Frauen, die ganz gezielt das Beratungsangebot oder eine spezielle Gruppe in Anspruch nehmen, um sich zu stärken, etwas zu klären und/oder sich im Hilfenetz zu orientieren.

Bei einem Wegfall unseres Angebots durch weitere Existenz gefährdende finanzielle Kürzungen würden unsere Nutzerinnen aufgrund ihrer psychischen und sozialen Situation größtenteils nicht auf andere, weniger spezifische und höherschwellige Angebote zurückgreifen, sondern sich zurückziehen.

Als Folgen sind zu erwarten:

  • vermehrte stationäre Klinik-Aufenthalte und insbesondere bei Langzeithospitalisierung weitere Folgekosten (z.B.: Frühberentung)
  • vergrößerter Betreuungsbedarf (ambulant betreutes, teil- und vollstationäres Wohnen
  • vermehrte Kosten durch Rückfall in den Sozialhilfebezug oder vorübergehende Obdachlosigkeit
  • vermehrte Fremdunterbringung der Kinder.

Im Folgenden die konkreten Gründe und Bedürfnisse, die die Frauen in unsere Beratungsstelle führen:

  • psychische Krisen
  • Auseinandersetzung mit der psychischen Erkrankung
  • Aktivierung und Ausweitung der eigene Selbsthilfefertigkeiten

“Was ist denn eigentlich Borderline und wieso hab ich das?” Nutzerin, 22 Jahre “Was kann ich tun, um seltener psychotisch zu werden?” Teilnehmerin Psychose-Gruppe, 31 Jahre “Wie kann ich es schaffen, mich nicht mehr zu schneiden?” Nutzerin mit mehrjährigem selbstverletzendem Verhalten, 35 Jahre

  • soziale Isolation, soziale Kontakte
  • Nutzung eines Schutzraumes
  • Auseinandersetzung mit Psychiatrieaufenthalten
  • Austausch mit anderen psychiatrieerfahrenen Frauen
  • Wochenstruktur
  • mit anderen Betroffenen kreative Aktivitäten ausführen
  • mit anderen Betroffenen Ausflüge unternehmen, Feste begehen
  • Unterstützung bei wichtigen Entscheidungen, bei der Lebensplanung (z.B.: auch Integration in den Arbeitsmarkt)
  • lebenspraktische Unterstützung
  • Informationsbedürfnis bzgl. ambulanter und stationärer Therapiemöglichkeiten
  • betreuter Wohnformen
  • Beschäftigungsmöglichkeiten der jeweiligen psychischen Erkrankung
  • Möglichkeiten zur Selbsthilfe
  • sozialrechtlicher Fragen

Leistungsspektrum

Offener Treffpunkt

Der offene Treffpunkt ist ein Kontakt- und Beratungsangebot, das psychiatrisch erkrankten Frauen einen unbürokratischen, schnellen Zugang zum psychosozialen Hilfenetz ermöglicht. Aufgrund der niedrigschwelligen Konzeption ist der Besuch des Treffpunktes auch für durch soziale und sonstige Ängste schwer beeinträchtigte Frauen möglich. Die Klientinnen nutzen die IHRISS-Angebote zur Schaffung einer Wochenstruktur und zur Überwindung ihrer sozialen Isolation. Haben sie die Hürde, die das Suchen und Annehmen von Unterstützung beinhaltet, mit Hilfe der Niedrigschwelligkeit des Treffpunktangebotes überwunden, gelingt es vielen Frauen mittelfristig IHRISS-Angebote mit einer höheren Zugangsschwelle zu nutzen, wie etwa feste Gruppen oder Freizeitangebote, in denen sie die im Treff geknüpften sozialen Kontakte vertiefen können. Leider mussten wir in den vergangenen Jahren unser Treffpunktangebot aufgrund finanzieller Kürzungen von vier Angeboten auf drei Angebote in der Woche verringern. Der offene Treffpunkt ist dreimal die Woche für jeweils zwei Stunden unter der Leitung einer Fachfrau, die den Schutzraum gewährleistet, geöffnet. Freitags findet in der Treffpunktzeit ein gemeinsames Frühstück statt, mittwochs gibt es das Angebot, in der zweiten Hälfte der Treffpunktzeit ein gemeinsames Abendbrot einzunehmen. Die Frauen nutzen das Treffpunkt-Angebot, um sich beispielsweise mit anderen Psychiatrieerfahrenen über die in der Klinik gemachten Erfahrungen auszutauschen. Diese Gespräche werden von den Frauen als sehr entlastend erlebt, da sie die Erfahrungen in der Psychiatrie häufig als schwerwiegenden Eingriff in ihre persönliche Integrität empfanden. Ebenso sprechen die Frauen belastende Alltagserlebnisse und Ängste in der Gruppe an. Dabei wird von unserer Seite das Gespräch dahingehend gelenkt, dass im Focus die Lösungen der Problematik stehen und die Frauen sich gegenseitig stärken. Die Frauen nutzen die im Treffpunkt eingegangenen stabilen sozialen Beziehungen zu den Mitarbeiterinnen während (wiederkehrender) psychischer Krisen in verstärktem Maße. Dieses geschieht in Form von telefonischer oder persönlicher Einzelberatung sowie durch häufigeren Besuch des offenen Treffpunktes. Zu erwähnen wäre darüber hinaus eine Anzahl von Frauen, die den Treffpunkt während einer stark belastenden Lebenssituation bzw. einer psychischen Erkrankung für eine umgrenzte Zeit in Anspruch nimmt. Diesen Frauen gelingt es mittels der Unterstützung durch die Mitarbeiterinnen und durch die sozialen Kontakte zu anderen Nutzerinnen, ihr Selbsthilfepotential derart zu aktivieren bzw. zu verbessern, dass eine Stabilisierung ihres psychischen Zustandes erfolgt und sie eines psychosozialen Angebotes nicht mehr bedürfen. Im Falle von späteren, temporären Krisen kommen diese Frauen wieder auf unsere Angebote zurück.

Die besondere Qualität unserer Treffpunktarbeit * liegt in…

* Die folgenden Qualitätsmerkmale gelten überwiegend nicht nur für die Treffpunktarbeit als integrativer Bestandteil unserer Gesamtleistungen, sondern für alle nutzerinnenbezogenen Arbeitsbereiche unserer Beratungsstelle.

… der Kontinuität und Verläßlichkeit der Bereithaltung dieses Angebotes

Besondere Wichtigkeit erhält dieser Faktor in “Krisenzeiten” oder während eines Klinikaufenthaltes. Aber auch in den Phasen, in denen sich die Frauen psychisch stabiler fühlen und den Treffpunkt zeitweilig nicht in Anspruch nehmen, erleben sie die Existenz von IHRISS als Rückenstärkung.

“Ich wusste doch, die IHRISS-Frauen lassen mich nicht im Stich. Ich weiß ja, die IHRISS ist immer für mich da, wenn ich Hilfe brauche, das beruhigt mich irgendwie.” Nutzerin, 49 Jahre

… dem institutionsfernen, unbürokratischen Rahmen, der Möglichkeit unangemeldet zu kommen und auf Wunsch anonym zu bleiben

Dieses Merkmal der Niedrigschwelligkeit ermöglicht Betroffenen, die ihre psychischen Probleme noch nicht als Symptome mit Krankheitswert akzeptieren konnten, einen Erstkontakt mit dem psychosozialen Hilfenetz. Auch jene Nutzerinnen, die bereits Erfahrungen im psychiatrischen Hilfenetz gesammelt haben, benötigen und profitieren von gesellschaftliche Räumen, in denen sie nicht als “Krankheits-Fälle” behandelt werden, nicht in “Diagnose-Schubladen” gesteckt werden und keinen “Stempel” bekommen. Die Möglichkeit, anonym zu bleiben, erleichtert auch jenen psychiatrieerfahrenen Frauen einen Erstkontakt mit der Beratungsstelle, die ihre Erfahrungen mit der Psychiatrie negativ bewerten.

… der Dichte der Treffpunktbetreuung

Der Treffpunkt ist grundsätzlich mit einer hauptamtlichen Mitarbeiterin und nach Möglichkeit mit einer weiteren Person (Ehrenamtliche, Praktikantin) besetzt, wodurch eine relativ hohe Betreuungsdichte gewährleistet werden kann. Das ermöglicht den Frauen, alle gewünschten Themen ansprechen zu können mit dem Wissen, dass unsere Mitarbeiterinnen ihnen lenkend zur Seite stehen, beispielsweise Anzeichen einer Überforderung bei den anderen Nutzerinnen erkennen, ansprechen und gegebenenfalls das Thema wechseln. Wichtig hierbei ist, dass die Frauen die Möglichkeit haben, derartige Themen bei dringendem Bedarf direkt im Anschluss an den Treff in einem Einzelgespräch wieder aufzugreifen. Den Frauen wird ein Übungsfeld geboten, ihre eigenen und die Grenzen anderer besser wahrzunehmen und darüber sozial kompetent zu kommunizieren.

… der Konzeption als ausschließlicher Frauenraum

Der Großteil unserer Nutzerinnen musste in der Vergangenheit Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt machen. Dieser Umstand hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass einige die Anwesenheit von Männern als massiv angst-auslösend erleben. Andere berichten “lediglich” von einer größeren Gehemmtheit im Kontakt mit Männern, die sich in Schweigsamkeit und körperlicher Unruhe manifestiert, diese Frauen also in einen Stresszustand versetzt. Viele berichten von der Schwierigkeit, Männern Sympathie und menschliche Wärme entgegenzubringen, ohne dass dies zu sexuellen Avancen seitens des betreffendes Mannes führt, welche dann wiederum vielfältige Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Ärger etc. bei diesen Frauen auslösen und auch zu Auslösern akuter psychischer Krisen werden können.

“Mit Frauen kann man mehr vertraulich reden. Wenn ich ein vertrauliches Gespräch suche, suche ich mir keinen Mann aus. Frauen haben mehr Verständnis für Frauenprobleme. Wenn eine Frau schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht hat, kann sie hierher kommen, ohne sich von Männern bedroht zu fühlen.” Nutzerin, 37 Jahre

Ein weiterer Aspekt liegt darin, dass die Frauen im Kontakt mit Männern immer wieder ihre sozialisierten, geschlechtstypischen Verhaltens-weisen wiederholen. Das bedeutet beispielsweise, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse gemäß dem traditionellen Frauenbild zugunsten der männlichen Gruppenmitglieder in den Hintergrund stellen. Es ist bekannt, dass Frauen im Beisein von Männern eher die Rolle der „Katalysatorin“ oder „Mütterlichen“ einnehmen oder aber in der Rolle der Begehrten, wahlweise der Hilflosen verbleiben.

Nach unseren Erfahrungen trifft es für alle Nutzerinnen zu, dass sie über einzelne, ihnen wichtige Themenbereiche, wie etwa Menstruationsbeschwerden, den Umgang mit dem eigenen Körper, Sexualität, sexualisierte Gewalterfahrungen, Umgang mit Angst und Schwäche etc. ausschließlich in einem reinen Frauenrahmen sprechen können bzw. wollen. Unser Angebot ist auf die spezifischen Erfahrungen und Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten. Wir sind mit unserem frauenparteilichen Ansatz in der Lage, uns in die spezifisch weiblichen Probleme einzufühlen, diese anzusprechen und einen angstfreien Kontakt herzustellen. Auch heute werden Frauen oft im Hinblick auf ihre erwünschte spätere Rolle als Ehefrau und Mutter und gemäß dem gängigen Frauenbild als sozial rücksichtsvolle Menschen sozialisiert, die ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zurückstellen. Ein eigener Frauenraum gibt ihnen die Möglichkeit, sich mehr in ihrer Individualität, auch mit ihren Stärken, zu erproben, sich zu finden jenseits von Geschlechtsrollenerwartungen und -stereotypen. Durch das Bewusstwerden der eigenen Wünsche und Bedürfnisse ist es den Nutzerinnen dann auch möglich, in Kontakten zu Männern und Frauen außerhalb der Einrichtung ihre Bedürfnisse besser zu vertreten und ihre Grenzen besser zu schützen.

… dem überschaubaren und persönlichen Rahmen unserer kleinen Einrichtung

Unsere Nutzerinnen, die zum Teil extrem scheu und in sich zurückgezogen sind, berichten nahezu alle von diversen sozialen Ängsten und entsprechenden Kontaktschwierigkeiten. Wir hören immer wieder, wie froh sie über die Überschaubarkeit und persönliche Note unserer Räumlichkeiten sind.

“Wenn ich bei Euch reinkomme, habe ich das Gefühl, hier muss ich gar nichts. In riesigen Einrichtungen konnte ich das gar nicht aushalten. Da waren so viele Zimmer und so viele Menschen.” Nutzerin, 36 Jahre.

… der feministischen, frauengerechten Konzeption

Sie beinhaltet insbesondere folgende Prinzipien, die auch in den Leitlinien „Hilfen für psychisch kranke und behinderte Frauen“ des Landes (1996) formuliert wurden:

  • Kenntnis der Häufigkeit, der Folgen und der Behandlungsspezifika von sexuellen Gewalterfahrungen
  • Inbetrachtziehen der unterschiedlichen Sozialisation und Biographien von Frauen und Männern sowie deren psychosozialen Folgen
  • Inbetrachtziehen der spezifischen Rollen- und Identitätskonflikte von Frauen
  • Kenntnis und Einbeziehung der Auswirkungen von beruflicher und sozialer Benachteiligung und Mehrfachbelastung von Frauen
  • Bereitstellen eines Schutzraumes
  • Mitgestaltung des Beratungs- oder Therapieprozesses durch die Nutzerin
  • Akzeptanz und Förderung anderer Lebensentwürfe und Identitäten von Frauen neben der traditionellen Familienorientierung
  • Kooperation mit anderen psychosozialen Einrichtungen und Kliniken.

Einzelberatung

Hierbei handelt es sich um einmalige oder längerfristige sozialpädagogische und sozialtherapeutische Einzelberatungen unter Einbezug von systemischen, verhaltenstherapeutischen und humanistischen Methoden sowie den Lebensrealitäten von Frauen. Einzelberatungen werden nach Terminvereinbarung oder bei Notwendigkeit als Kriseninterventionen durchgeführt. Gemäß dem Psychiatrieplan 2000 des Landes orientieren wir uns an dem Konzept der personenzentrierten Hilfen. Wir arbeiten ressourcenorientiert sowie nach dem Prinzip der Minimalintervention (“So wenig wie möglich, so viel wie nötig.”), leider mit Einschränkungen bezüglich des „so viel wie nötig“, die auf unsere Mittelknappheit zurückzuführen sind. Das Angebot der Einzelberatung wird hauptsächlich von Nutzerinnen des Treffpunktes und/oder Teilnehmerinnen von Gruppenangeboten wahrgenommen, aber auch von Frauen, die nur dieses Angebot unserer Beratungsstelle nutzen. Bei letzteren handelt es sich ebenfalls um Frauen mit psychiatrischen Diagnosen und zumeist vorangegangenen Psychiatrieaufenthalten. Dabei sind wir bemüht, diese Frauen in die Treffpunkt- und Gruppenarbeit einzugliedern, um ihnen soziale Beziehungen, Wochenstruktur und das Erleben von Solidarität unter Betroffenen zu ermöglichen und damit ihre Selbsthilfefertigkeiten zu stärken.

Einzelne Frauen nehmen die Möglichkeit der Einzelberatung mit dem Ziel in Anspruch, die Räumlichkeiten und Mitarbeiterinnen kennen zu lernen, um so ihre Schwellenangst vor dem erstmaligen Treffpunkt-Besuch abzubauen. Wir führen Beratungen sowohl telefonisch als auch im persönlichen Kontakt durch. Für beratungsbedürftige Mütter mit kleinen Kindern organisieren wir, sofern die betroffene Frau nicht selbständig dazu in der Lage ist, eine Kinderbetreuung. Selten beraten wir auch aufsuchend, beispielsweise bei starker Angstproblematik, die es der Frau zunächst unmöglich macht, in die Beratungsstelle zu kommen. Hier müssen wir uns aufgrund der Mittelknappheit allerdings auf wenige Einzelfälle beschränken. Im Beratungskontext erfolgen häufig Vermittlungen an andere Einrichtungen der psychosozialen Versorgung, wie Wohneinrichtungen für psychisch Kranke, psychosomatische Kliniken, Institutionen der beruflichen Wiedereingliederung oder niedergelassene Psycho-therapeutInnen. Frauen mit einem Beratungsbedarf, der unserer Zielgruppe nicht entspricht, werden beim (zumeist telefonischen) Erstkontakt sofort an andere Beratungsstellen weiterverwiesen.

Gruppenangebote

Die Gruppenangebote stellen die dritte Säule unserer Angebotsstruktur dar. Sie ermöglichen den Nutzerinnen sich mit bestimmten Themen intensiver auseinanderzusetzen. Die fachliche Leitung der Gruppe gewährleistet einen Schutzraum, in dem die Frauen in akzeptierender Atmosphäre durch Austausch, Kreativität und/oder fachliche Anregungen neue Impulse zur Verbesserung ihrer Lebensqualität erhalten können. Unsere Gruppenangebote werden stark nachgefragt. In jüngster Vergangenheit hatten wir das Glück, eine von uns ausgebildete Anerkennungspraktikantin für die Leitung einer zweiten „Selbstfürsorge“ – Gruppe gewinnen zu können. Dies war uns ein Anliegen, da die Warteliste für dieses die Selbsthilfefertigkeiten der Teilnehmerinnen stärkende Angebot besonders umfangreich war. Die junge Kollegin hospitierte in ihrer Ausbildung regelmäßig bei diesem Angebot und konnte so im ersten Jahr kostenfrei und ohne weitere Einarbeitung für dieses Angebot eingesetzt werden. Wir hoffen mit Hilfe von Spendengeldern, die unserem Förderverein zufließen, dieses zusätzliche Angebot aufrechterhalten zu können, das eine wesentliche Stärkung unserer Nutzerinnen beinhaltet. Ebenfalls wünschen wir uns weiterhin spezielle die soziale Teilhabe der Frauen stärkende Gruppenaktivitäten durchführen zu können, für die uns Sondergelder zur Verfügung stehen, über die keinerlei Planungssicherheit besteht. Diese Ausfl üge ermöglichen den Frauen Aktivitäten im Sozialraum von denen sie sonst aufgrund ihrer psychischen Problematik ausgeschlossen wären.

Jede unserer Gruppen arbeitet nach einem ausgearbeiteten Konzept, dessen jeweilige Zielsetzungen auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen abgestimmt sind. Die Gruppen werden in der Regel fortlaufend angeboten. Die Anzahl der maximal an einer Gruppe teilnehmenden Frauen ist durch die Spezifika unserer Zielgruppe beschränkt und variiert je nach Angebot zwischen 6 und 10 Teilnehmerinnen.

Angeleitete Selbsthilfegruppe für psychoseerfahrene Frauen

Diese Gruppe ist aus einem psychoedukativen Angebot für Frauen mit psychotischen Erkrankungen entstanden. Deutlich wurde hier der Bedarf der Frauen nach einer festen Gruppe, in der sie neben Fachwissen über Entstehung, Verlaufsformen und Möglichkeiten der Rückfall-Vorbeugung von psychotischen Erkrankungen und dem Gespräch über die individuellen Erfahrungen und Möglichkeiten mit der Erkrankung, sich auch über Alltagsthemen und -Problematiken austauschen können. Die Gruppe trifft sich vierzehntägig für jeweils 90 Minuten. Die Gruppe hat einen starken Selbsthilfecharakter: Die Betroffenen nutzen das Angebot für einen kontinuierlichen Austausch über Befindlichkeiten, insbesondere auch im Zusammenhang mit der psychotischen Symptomatik, und erleben die Gruppe als Stütze, die Rückhalt, Anregung und beständige soziale Kontakte bietet. Zudem bietet die Gruppe den Schutz, der es später auch in anderen Zusammenhängen ermöglicht, selbstverständlicher über „Verrücktheiten“ zu reden und damit die diesbezügliche Sprachlosigkeit zu überwinden.

Selbstfürsorge

Das Ziel dieses Angebotes ist es, die Selbstfürsorge-Kompetenzen und damit die Lebensqualität der Teilnehmerinnen zu verbessern. Einerseits geht es um das Erlernen von psychoedukativen Elementen, betroffenen Frauen wird u.a. das Konzept der Achtsamkeit vermittelt, das es ermöglicht, die Innenschau zugunsten der Außenschau zu verringern, also statt über Probleme zu grübeln mit allen Sinnen die Umwelt wahrzunehmen. Andererseits finden viele Gespräche statt, in denen die Frauen sich darüber austauschen, was für sie das Leben angenehm macht, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer bestimmten Jahreszeit. Das Ziel der Gruppe ist die Verschiebung des Fokus von Problemen und Belastungen hin zu eigenen Fähigkeiten und angenehmen Details des Lebens, ein ausgewogeneres Gleichgewicht zwischen Innen- und Außenschau, eine erhöhte Selbst-Initiierung von positiven, wohltuenden Erlebnissen sowie eine erhöhte Stresstoleranz und Kriseninterventions-Strategien. Die beiden derzeit angebotenen Gruppen treffen sich jeweils vierzehntägig für zwei Stunden.

“Noch nie habe ich einen Frühling so bewusst wahrgenommen wie diesen. Sogar mein Mann sagte, er habe den Frühling noch nie so bewusst erlebt, weil ich ihn darauf aufmerksam mache.” Teilnehmerin, 52 Jahre

Gruppe für Frauen über 50

Da diese Altersgruppe statistisch gesehen am häufigsten von psychischer Erkrankung betroffen ist, halten wir es für wichtig, in diesem speziellen Angebot auf die mit diesem Lebensabschnitt verbundenen Probleme einzugehen. Die Gruppe bietet den Frauen einen Rahmen, sich über ihre derzeitige Lebenssituation, eigene Bedürfnisse, Grenzen, Erfahrungen mit dem Älterwerden, der Menopause, der Pflegebedürftigkeit oder dem Tod der Eltern, dem Auszug der Kinder, Partnerschaftskonfl ikten, über Themen, wie Altersversorgung und Rente usw. auszutauschen. Die Wertschätzung der Frauen untereinander und die Auseinandersetzung mit ihren Themen in der fachlich begleiteten und geschützten Gruppensituation ermutigt Frauen, sich ihrer individuellen Möglichkeiten und Ressourcen bewusst zu werden und stärkt sie mit ihrer Lebenssituation umzugehen. Derartige Gruppen für Frauen dieses Alters sollten – auch aufgrund ihres präventiven Charakters – möglichst noch häufiger von geeigneten Beratungsstellen angeboten werden. Die Gruppe trifft sich wöchentlich, für zwei Stunden

Schreibgruppe

Die Schreibgruppe besteht aus einem festen Kreis von Frauen, ist aber jederzeit offen für neue Teilnehmerinnen. Die Frauen nutzen das Schreiben als ein für sie sehr wichtiges kreatives Mittel zur Selbstreflexion. Das Bewusstsein und die Nutzung eigener Kompetenzen und Stärken werden gefördert. Die Gruppe bietet ihnen dabei eine Möglichkeit, sich über die zu Hause verfassten Texte im geschützten Rahmen auszutauschen. Zusätzlich wird maximal einmal jährlich eine Schreibwerkstatt angeboten, in der Methoden des kreativen Schreibens vorgestellt und eingeübt werden. Die Schreibgruppe hat in den Vorjahren einzelne öffentliche Lesungen abgehalten. Die zu diesen Lesungen erstellten Bände mit Texten werden weiterhin vervielfältigt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Gruppe ist es wichtig, dass der ungesehene Raum, in dem psychisches Leid gerade bei Frauen sehr oft verbleibt, hiermit verlassen wird und die Gesellschaft etwas davon erfährt, wie diese Frauen ihren Alltag erleben.

“Gefühle wollen gefühlt werden. Ein Weg, sich auf seine Gefühle einzulassen und bewegende Erfahrungen auszudrücken, ist das Schreiben und das Vorlesen eigener Texte. Schreiben ist Ausdruck von inneren Bildern, Spiegelbild der eigenen Befindlichkeit und eine Möglichkeit, sich anderen mitzuteilen.”

Kreativgruppe

Die mit Mitteln aus dem sozialen Vertrag geförderte Kreativgruppe findet je nach Förderhöhe bis zu zehnmal im Jahr statt. Die Angebote werden von unseren Nutzerinnen sehr geschätzt. Für die Teilnehmerinnen beinhalten diese Angebote die Möglichkeit, sich auf verschiedene Art und Weise, mit unterschiedlichen Materialien und Methoden, kreativ auszudrücken. Jedes Treffen hat ein eigenes Thema, zum Beispiel jahreszeitlich abgestimmt. Nach Fertigstellung der jeweiligen Werke besteht die Möglichkeit, sich auszutauschen und über neue Anregungen und Ideen zu sprechen, die beim Erstellen entstanden sind. Die Kreativgruppe bietet den Teilnehmerinnen Raum für kreatives Gestalten und Freude, ohne dass ein Leistungsdenken dabei im Vordergrund steht. Das Erleben eigener Fähigkeiten fördert eine Stärkung des Selbstwertgefühls. Zudem erleichtert das gemeinsame aktive Gestalten den sozialen Kontakt und ermöglicht, bei sich selbst und den anderen Kompetenzen und Ressourcen zu entdecken und weiterzuentwickeln. Die Schwelle zur Nutzung dieses Angebots ist damit sehr niedrig.

Malgruppe

Die offene Malgruppe trifft sich einmal im Monat für 2-1/2 Stunden oder alle 2 bis 3 Monate für 5 Stunden. Jede Teilnehmerin entscheidet selbst, mit welchem der angebotenen Materialien sie arbeiten möchte und was sie malen will. Der handwerkliche oder künstlerische Aspekt steht dabei eher im Hintergrund, wichtiger ist es, spontan eigene Phantasie oder Befindlichkeit zum Ausdruck zu bringen ohne Leistungsdenken. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass das Malen in einem sozialen Kontext stattfindet und es somit ermöglicht wird, über das gemeinsame kreative Schaffen Kontakte zu anderen Frauen zu knüpfen. Im Anschluss besteht die –freiwillige- Möglichkeit, über das eigene Bild zu sprechen und Eindrücke der anderen Teilnehmerinnen zu hören. Dadurch erfahren die Teilnehmerinnen beim Malen etwas über sich selbst und die anderen Frauen. Unbewusste Inhalte können durch das Malen und die Reflexion in der Gruppe behutsam bewusst gemacht werden, so dass eine Auseinandersetzung und damit Entwicklungs-chancen ermöglicht werden. Nicht zuletzt bietet dieses gemeinsame Schaffen auch viel Raum für Freude und gegenseitige Wertschätzung.

Musikgruppe“

In der Musikgruppe wird gemeinsam gesungen und mit Instrumenten spielerisch experimentiert. Dabei steht die Freude am Singen und die Vermeidung von Leistungsdruck im Vordergrund. Den Frauen wird dabei ermöglicht die Hemmungen, ihre Stimme ertönen zu lassen in einem geschützten Rahmen abzubauen. Das Erlebnis des gemeinsamen Singens bereitet den Frauen viel Freude und wird als Stärkung erlebt. Die Musikgruppe wird einmal im Monat für zwei Stunden angeboten.

„Freizeitangebote

Wir freuen uns sehr, dass wir mithilfe von Geldern aus dem sozialen Vertrag unseren Nutzerinnen seit dem vergangenen Jahr ein vielfältigeres Angebot an Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe in Form von verschiedenen Freizeitangeboten bieten können und würden uns wünschen, dass uns diese Gelder auch in Zukunft weiter zur Verfügung stehen. Wir konnten mehrere Ausflüge organisieren, die unsere Nutzerinnen als wertvolle Bereicherung ihres Lebensalltags erlebt haben. An besonderen Aktivitäten außerhalb der Einrichtung teilnehmen zu können und dabei einen Schutzraum durch die fachlich betreute Gruppe zu haben, ermöglichte ihnen die Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten, von denen sie sonst aufgrund ihrer Problematik ausgeschlossen sind. Zu unseren Kernleistungen gehört es, an den wichtigsten kulturellen Festtagen (Heiligabend, Weihnachten, Silvester, Ostern) unseren Nutzerinnen eine gemeinsame Feier anzubieten, um auch an diesen Tagen Verbundenheit und Geselligkeit erleben zu können. Unsere Nutzerinnen betonen immer wieder, wie wichtig diese Angebote für sie sind, und ein Wegfall aufgrund fehlender Alternativen bedeuten würde, diese Tage allein zu verbringen und dies dann zu vermehrtem Leid und psychischen Krisen führen würde.

Weitere Arbeitsbereiche

Neben den oben beschriebenen Kernleistungen gibt es weitere Arbeitsbereiche, von denen wir einige an dieser Stelle noch erwähnen möchten, um das Bild rund zu machen:

  • Kinderbetreuung während Gruppen- und Einzelangeboten
  • Beratung von Angehörigen
  • Leihbibliothek und Infothek: Die Beratungsstelle verfügt inzwischen über eine recht umfassende Leihbibliothek. Den Schwerpunkt bildet Selbsthilfeliteratur, deren Thematik sowohl störungsspezifisch als auch allgemein und alltagspraktisch ausgerichtet ist. Wir verfügen zudem über eine gute Auswahl von Fachliteratur zum Thema Psychiatrie / psychia- trische Erkrankungen / frauengerechte soziale Arbeit. Die Bibliothek wird von den Besucherinnen sehr gut genutzt. Außerdem ergänzen eine umfangreiche Anzahl Informations-broschüren über soziale Hilfsangebote oder über therapeutische Einrichtungen die vermittelnde und begleitende Arbeit der Einrichtung
  • Ausbildung von Studentinnen im Praxissemester der Fachhochschule Kiel

Daneben gibt es natürlich noch jede Menge weiterer Arbeit, die sich aus den Notwendigkeiten sozialer Arbeit und der Selbstverwaltung ergibt. Erwähnt sei an dieser Stelle auch unsere Vernetzungsarbeit mit dem Verbund der Kieler Frauenfacheinrichtungen, mit denen wir gemeinsam eine starke Lobby für Frauen in Kiel bilden.

Team

Leider verfügen wir nur über eineinhalb feste Stellen in der Beratungsstelle. Nur durch ausgesprochen hohes persönliches und zum Teil ehrenamtliches Engagement jeder Einzelnen können wir ein qualitativ und quantitativ so hochwertiges Angebot für psychiatrisch erkrankte Frauen in Kiel aufrechterhalten.